Auf Einladung der Lebenshilfe Graz und des Bürgermeisters der Stadt Graz waren Selbstvertreter und Selbstvertreterinnen nach Österreich gekommen, um unter dem Motto “Meine Stimme zählt!” über das aktive und passive Wahlrecht (das Menschen unter Sachwalterschaft in vielen europäischen Ländern nach wie vor nur eingeschränkt gewährt wird), sowie im Allgemeinen über die Selbstvertretung zu diskutieren.
Workshops, die von Selbstvertretern und Selbstvertreterinnen geleitet wurden, beleuchteten verschiedene Aspekte dieses Themas:
So berichtete Elisabeta Moldovan aus Rumänien davon, wie es sich für sie anfühlte, als Kind in verschiedenen Institutionen aufwachsen zu müssen – sie ist inzwischen eine anerkannte Verfechterin des Rechts, in der Gemeinschaft zu leben. Der österreichische Selbstvertreter Manuel Lankmair präsentierte seine Studie über “Partei- und Wahlprogramme – und wie wir sie nutzen können”. Die Ergebnisse: Keine der von ihm untersuchten österreichischen Parteien hatten eine barrierefreie Webseite, und nur eine hatte ein Parteiprogramm in Leichter Sprache: “Die Parteien müssen noch einiges verändern!”
It is incredible to share knowledge about self-advocacy groups from different countries. We are in the workshop with people from Croatia, Italy, Austria, Germany … @InclusionEurope @somfundacio #HoV19 pic.twitter.com/R31FZxO5NV
— Raúl Olivera (@twiterraul84) September 19, 2019
Tweet: “Es ist toll, sich mit anderen Selbstvertretergruppen aus verschiedenen Ländern auszutauschen. Wir sind in einem Workshop mit Teilnehmern und Teilnehmerinnen aus Kroatien, Italien, Österreich, Deutschland …”
Im Gegensatz dazu hatte Selbstvertreter Antonio Hinojosa Positives zu berichten: über Spanien, wo eine erfolgreiche Kampagne dazu geführt hat, dass mehr als 100.000 Menschen mit rechtlicher Bertreuung das Wahlrecht erhielten.
Der belgische Selbstvertreter Thibeau Bastien zeigte in seinem Workshop “Inklusive Anstellung: meine Arbeit – Gespräche mit Firmen und dem Minister!”, wie man mit Politikern und Geschäftsleuten ins Gespräch kommt, um sie für eine Sache zu gewinnen.
Andere Workshopthemen waren zum Beispiel “Gesetze, Forderungen und Ansprüche durchsetzen”, “Politische Teilhabe – eine Studie stellt sich vor” oder “Wer sitzt im Europäischen Parlament? Lerne deine Abgeordneten kennen!”.
@cllrsarapickard and Lazlo, chairperson for #EPSA @InclusionEurope Ready to change the world! #disabilityrights #HoV19 pic.twitter.com/UYgF0Mmsvm
— Gwendolyn Anslow (@AnslowGwen) September 19, 2019
Tweet: Sara Pickard und Lázsló Bercse, Vorsitzender der Europäischen Platform der Selbstvertreter und Selbstvertreterinnen. Sie wollen die Welt verändern!
Selbstvertreter und Selbstvertreterinnen, die sich zur Wahl stellen
Eine Entwicklung erregte besonders viel Aufmerksamkeit bei den Teilnehmern und Teilnehmerinnen – der Umstand, dass sich immer mehr Selbstvertreter und Selbstvertreterinnen um ein politisches Amt bewerben. Xavier Orno aus Spanien ist einer von ihnen: Zusammen mit 12 anderen Selbstvertretern und Selbstvertreterinnen stellte er sich bei den spanischen Kommunalwahlen im Mai zur Wahl. Bei der Konferenz sprach er darüber, wie der Wahlkampf sein Wissen erweiter hat, die Unterstützung, die er erhalten hat, und die besondere Sichtweise, die Menschen mit Behinderungen in die Parteipolitik bringen können (“in den meisten Parteien wissen sie nicht viel darüber, was uns wichtig ist”). He concluded: “I hope we can be an example for other self-advocates!”
Bei der Konferenz hielten eine Reihe von Selbstvertretern und Selbstvertreterinnen Reden. Sie wiederholten, was schon bei anderen “Hear our Voices”-Konferenzen angesprochen worden war: So unterstrich László Bercse, Vizepräsident ovn Inclusion Europe und Präsident der Europäischen Plattform für Selbstvertreter (EPSA), dass Selbstvertreter und Selbstvertreterinnen in die Entscheidungen, die sie betreffen, einbezogen werden möchten: “Vielleicht brauchen wir manchmal Unterstützung, aber wir können auch anderen helfen!” – zum Beispiel mit Texten in Leichter Sprache oder bei Fragen zur Barrierefreiheit.
Die frühere EPSA-Vorsitzende Senada Halilčević war sehr deutlich in ihrer Aussage: “Wenn Sie uns von der Wahl ausschließen, dann sagen Sie damit, dass wir keine gleichberechtigten Bürger sind!”.
In Österreich haben laut Hanna Kamrat, Mitglied des Selbstvertretungsbeirats und Vizepräsidentin der Lebenshilfe, alle das Wahlrecht. Siegfried Nagl, Bürgermeister der Stadt Graz, und Wolfgang Palle, Beauftragter für Menschen mit Behinderung, erklärten, wie in Graz auf das spezifische Wissen von Menschen mit Behinderungen zurückgegriffen wird: Graz hat einen Beirat für Menschen mit Behinderung, der ihre Interessen vertritt und ihre Sichtweisen aufzeigt. Und laut Wolfang Palle gibt es “auch Resultate und wirkliche Veränderunge” dank der Arbeit des Beirats. Graz hat zudem an einem europäischen Projekt zum Thema Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen teilgenommen.
Die Ergebnisse der Konferenz spiegeln frühere Forderungen von Selbstvertretern uns Selbstvertreterinnen wieder, nämlich:
- das Wahlrecht für Menschen mit rechtlicher Betreuung
- barrierefreie Informationen
- fair bezahlte Arbeitsstellen
- Selbstbestimmung und gleiche Rechte
- die Schließung aller Institutionen
- Inklusion
Inclusion Europe wird weiterhin Selbstvertreter und Selbstvertreterinnen bei ihrem Kampf für diese Forderungen unterstützen. Wie ein Selbstvertreter bei der Konferenz sagte: “Wenn man den Mund aufmacht, dann passiert Inklusion!”
You can hear the wise words of Didier, self advocate from Belgium on why politics are important to achieve inclusion and how to improve the participation of self-advocates in political life. #HoV19 @InclusionEurope pic.twitter.com/CJAd3PRM91
— Guillaume jacquinot (@g_jacquinot) September 20, 2019
Weitere Informationen
- Lesen Sie Beiträge von Konferenzteilnehmern und – teilnehmerinnen auf Facebook und Twitter
- Lesen Sie die Sonderausgabe von “Europa für alle” für die Konferenz
- Die Forderungen der Selbstvertreter und Selbstvertreterinnen auf Deutsch
Bildergalerie
Bilder © Simon Pilshofer